00:00:04: Willkommen zu einer neuen Folge Fünfzig über Fünfzig, dem Podcast über die zweite Lebenshälfte über Wandel, Abschiede und Neuanfänger.
00:00:12: Heute spreche ich mit Klaus Brinkbäumer, Journalist, Autor und ehemaliger Spiegelchefredakteur.
00:00:17: Sein Akt für das Buch heißt Zeit der Abschiede, ein sehr persönlicher Text über Verluste, Erinnerungen und die Frage, wie wir weitergehen, wenn sich das Leben
00:00:25: verändert.
00:00:26: Wir reden
00:00:27: darüber,
00:00:28: wo er sich gerade im Leben verortet, wie sein Schreiben zwischen privatem und gesellschaftlichem Pendelt und warum in seinem Buch trotz des Schmerzes so viel Zuversicht steckt.
00:00:37: Wir sprechen über das Loslassen, beruflich wie privat, über den Abschied von New York, darüber, spät noch einmal Vater zu werden und darüber, was zweite Lebenshälfte an neuen Blicken und Chancen bereithält.
00:00:49: Auch der gesellschaftliche Blick fehlt nicht.
00:00:51: Befinden wir uns kollektiv in einer Zeit der Abschiede?
00:00:54: Welche Gewissheiten gehen?
00:00:56: Und was kommt nach?
00:00:57: Ich freue mich sehr auf dieses Gespräch voller Klarheit, Gefühl und Neugier.
00:01:01: Viel Freude mit Klaus Brinkbäumer.
00:01:06: Du hast ein ganz tolles Buch geschrieben, das heißt Zeit der Abschiede.
00:01:10: Gab es einen Moment oder ein Erlebnis, wo du gedacht hast, okay, ich muss mich damit jetzt auseinandersetzen oder ich muss jetzt ein Buch über Abschiede, über Verluste schreiben.
00:01:22: Ich teile das mal auf in zwei Fragen und dann auch in zwei Antworten.
00:01:26: Es gab den Moment, wo ich gedacht habe, ich muss mich damit beschäftigen und ich muss mich damit ganz anders beschäftigen, als ich es bis dahin getan hatte.
00:01:33: Und das mit dem Buch kam später.
00:01:35: Der Moment war, als ich nach dem Tod meiner Mutter so getraut hatte, wie ... irgendwie wie ich's gelernt hatte, glaub ich.
00:01:44: Und wie wir im Westen das oft machen, nämlich so eingepfügt in einen Stundenplan oder in meinen Zeitplan mittags zwei Stunden spazieren gehen.
00:01:54: Und dann aber kam wieder ARD-Termine von vierzehn bis neunzehn Uhr.
00:01:59: Und meine Mutter war aus meinem Kopf raus.
00:02:01: Das funktioniert so nicht.
00:02:02: Trauer geht so nicht.
00:02:04: Und bei mir ging's so überhaupt nicht.
00:02:06: Sie kamen manchmal zwei Tage lang nicht, aber dann hat sie mich auch vollkommen ... Erschlagen.
00:02:12: und ich bin dann nach New York geflogen.
00:02:14: Es ist eine Herzensstadt von mir.
00:02:16: Ich war mehrfach in New York gelebt.
00:02:18: Ich war Spiegel-Korrespondent dort fünf Jahre lang und mein bester Freund lebt dort.
00:02:22: Ich hatte das Gefühl, ich will da einfach mal wieder hin.
00:02:24: Ich hatte das überhaupt nicht mit dem Tod meiner Mutter und mit Trauer in Verbindung gebracht.
00:02:27: Hab dann während des Fluges nach New York ganz zufällig, das war natürlich auch nicht geplant, einen Text in der New York Times gelesen über den Trauer-Podcast oder Abschieds-Podcast All There Is von Anderson Cooper.
00:02:40: dem bekannten CNN-Moderator.
00:02:43: Und dieser Text hat mich schon irgendwie angestupst und gesagt, warum beschäftige ich das jetzt so?
00:02:50: Und dann habe ich nach der Landung in New York angefangen, sofort nach der Landung angefangen, diesen Podcast zu hören.
00:02:55: Und dann war es eine ganz andere Woche, als ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte.
00:02:59: Ich habe keinerlei Termine eingehalten oder Verabredungen auch nur angestrebt, sondern haben wir endlich mal Zeit genommen und auf Parkbänken über meine Eltern nachgedacht und über Abschiede nachgedacht und diesen Podcast gehört, aber auch vor allem die eigene Trauer einfach mal sein lassen, so akzeptiert, wie sie war.
00:03:22: Das war eine so heilsame Woche, weil sie so langsam war und so.
00:03:26: gar nicht gefüllt mit anderen Dingen in dieser Woche.
00:03:29: Jetzt komme ich zum zweiten Teil deiner Frage und ich verspreche, dass ich jetzt nicht ständig epische Monologe halte in diesem Podcast.
00:03:35: Wir sind hier um zu reden.
00:03:36: Ja,
00:03:36: aber ich möchte auch Fragen zulassen.
00:03:39: Also der zweite Teil deiner Frage oder die zweite Frage, so wie ich es aufgesplittet habe.
00:03:44: Dann habe ich angefangen zu schreiben, auch dort in New York schon, aber so tagebuchartig, notizbuchartig.
00:03:50: Das mache ich immer, ne?
00:03:50: Ich bin gelernter Reporter oder gelernter Journalist.
00:03:53: Ich habe immer ein Notizbuch bei mir und schreibe mir Sachen auf, die mir auffallen, die ich wichtig finde.
00:03:58: Ich habe also Notizen gemacht.
00:04:00: Und so nach und nach wurden Szenen daraus.
00:04:03: Und irgendwann habe ich dann Gespräche darüber geführt mit Franziska Günther, die meine Buchagentin ist.
00:04:10: Und an anderen vertrauten Menschen ist das eigentlich mehr.
00:04:13: Sind wir dabei einem größeren Thema abschieden, auch als Thema unserer Zeit, vielleicht sogar Thema einer Generation.
00:04:22: Ich meine jetzt die die fünfzig bis sechzigjährigen heute, die einige ganz ganz besondere Erfahrungen machen.
00:04:28: Mit sehr alt werdenden, dann oft auch dement werdenden Eltern.
00:04:32: Natürlich dann sterbenden Eltern mit Abschieden von Sicherheiten, mit denen wir groß geworden sind.
00:04:38: Zu vielen Brüchen.
00:04:39: im Leben, dass wir kannten.
00:04:41: Und das will natürlich nicht behaupten, dass andere Generationen keine Abschiede erfahren hätten.
00:04:46: Das wäre Quatsch, aber da passiert gerade etwas.
00:04:49: Und Zeiten wandeln sich so rasant.
00:04:53: Und dann habe ich angefangen, das Buch zu schreiben.
00:04:56: Und was würdest du sagen, aus welchem Blickwinkel oder aus welchem Standpunkt in deinem eigenen Leben hast du geschrieben, kannst du sagen, dass es irgendwie rückblickend auf etwas war oder ... Mit einem Blick nach vorne, aber der Erfahrung im Rücken.
00:05:11: Also wo bist du in diesem Buch?
00:05:13: Ich bin, und das war für mich eine auch irgendwie bedrohliche Erfahrung, zwischendurch enorm verunsichernende Erfahrung.
00:05:21: Ich bin Reporter und gucke als Reporter meinen Eltern zu und beschreibe deren Ehe und recherchiere deren Ehe und habe mich dann natürlich gefragt, ob ich da nicht viel zu weit ist, dass das nicht ein Tabubruch.
00:05:35: Wie weit darf ich denn gehen?
00:05:37: Und das gleiche mache ich aber auch mit mir, mit meiner Schwester.
00:05:39: Ich habe also die Reportagetechnik, wenn man das mal ganz kalt benennen möchte, die ich beim Spiegel gelernt habe, oder anderswo bei anderen Medien, bei der Zeit, bei denen ich war, im Laufe meines Lebens auf uns selber angewandt.
00:05:53: Das habe ich noch nie gemacht vor, das war eine ganz neue Erfahrung.
00:05:57: Ich bin dann aber auch der Sohn meiner Eltern in diesem Buch, der dann glücklich ist und leidet.
00:06:04: Ich bin der trauernde Sohn, der Sohn auch, der versucht den Eltern zu helfen und nicht helfen kann an ganz vielen Stellen, manchmal schon, aber an ganz vielen Stellen auch nicht.
00:06:15: Ich trete also eine interessante Frage, Stefanie, wo bin ich selber in diesem Buch?
00:06:23: an unterschiedlichen Orten auf und in unterschiedlichen Rollen?
00:06:27: Ja.
00:06:28: Also ich sehe dich auch sehr in der Rolle des Kindes oder des Sohners.
00:06:32: Und wo du es jetzt ansprichst, irgendwie dieses Gefühl, den Eltern helfen zu wollen, aber nicht zu können.
00:06:41: Wie gehst du im Nachhinein damit um?
00:06:45: Du stellst tolle Fragen.
00:06:47: Die eine Konsequenz ist, dass ich versuche, sehr bewusst auf das zu achten, was ... richtig wichtig ist.
00:06:59: Ja, also auf meine Familie.
00:07:01: Das heißt, meine Ehrfrau und meinen Sohn und das, was wir mit der gemeinsamen Zeit machen wollen, das, wie wir leben wollen.
00:07:08: Und ich versuche, und doch das stimmt, anders zu leben als vorher, bewusster die Tage selbst zu gestalten als eine Konsequenz.
00:07:20: Ich versuche Schwächen in der Kommunikation.
00:07:24: Das ist jetzt ein sehr kühler Begriff, ich erkläre es gleich.
00:07:28: wegzuräumen und mich schlicht anders zu verhalten.
00:07:29: Ich war ein ganz schön unkommunikativer Sohn.
00:07:33: Ganz schön still.
00:07:34: So sind, glaube ich, nicht so wenige Teenager-Jungs.
00:07:37: Ich hab mich in meinem Keller in Münster-Hildrub eingeschlossen, bin nach der Schule die Treppe runtergegangen.
00:07:44: Meine Mutter wollte noch kurz fragen, wie war's denn in der Schule?
00:07:47: Ich hab ihr so einen Gut zugerufen und dann war ich aber weg.
00:07:50: Und ich weiß heute, dass meine Eltern das enorm enttäuschend fanden.
00:07:55: Das haben sie mir später gesagt, dass sie gern mehr geredet hätten, mehr Austausch gehabt hätten, mehr gewusst hätten, darüber, wie es mir eigentlich ging.
00:08:04: Ich versuch das anders zu machen.
00:08:06: Ich versuch meine Kinder.
00:08:07: Ich hab eine Tochter und einen Sohn.
00:08:09: So sehr man das kann mit Kindern anzuleiten, die Kommunikation wirklich sinnvoll und schön und warm und empathisch und gelingend sein kann.
00:08:20: Also ich achte auf die Dinge, die ich erfahren habe.
00:08:24: und versuche das eigene Leben entsprechend zu führen.
00:08:28: Hast du sowas wie Wehmut oder Reue oder ein schlechtes Gewissen, dass du als Kind deiner Eltern deren Ansprüche nicht erfüllen konntest?
00:08:39: Ich glaube gar nicht, dass der letzte Teil deines Satzes oder deiner Frage so stimmt, weil Eltern ja alles verzeihen.
00:08:47: Und meine Mutter stand so... bedingungslos hinter mir, auch hinter allem Quatsch, den ich gemacht habe und auch hinter allen Herden, die das dann manchmal bedeutet hat, wenn ich vier Wochen lang nicht angerufen habe oder so.
00:09:01: Und ich weiß gar nicht, ob sie wirklich so enttäuscht war.
00:09:06: Vor allem ist aber eines wichtig und das ist so tröstend daran und deswegen muss ich... Nicht wirklich.
00:09:14: Doch, ich habe ein schlechtes Gewissen.
00:09:15: Ja, ein schlechtes Gewissen habe ich.
00:09:17: Das, was ich eigentlich sagen wollte, das Tröstliche ist, dass wir die Zeit hatten, miteinander die Zeit hatten, über all diese Dinge zu sprechen.
00:09:24: Und ich habe dann meine Mutter auf Reisen eingeladen und wir waren lange unterwegs und haben viele Gespräche geführt.
00:09:31: Und wenn das möglich ist, das war natürlich, bevor sie krank wurde, wie tröstlich ist das, wenn das geht.
00:09:37: Oder dass ich mit meinem Vater, nachdem meine Mutter gestorben war, Immerhin noch zwei Jahre hatte, wo wir sehr viel reden konnten.
00:09:47: Und auch unser eher hartes Verhältnis.
00:09:51: Das ging mehr von ihm als von mir aus, dass wir in meiner Kindheit hatten.
00:09:54: Er war so ein strenger Lateinlehrer.
00:09:56: Und ich hatte das Gefühl, mein Vater liebt mich nur, wenn ich mindestens ne zwei Plus in Latein schrieb.
00:10:01: Eigentlich muss das ne ein sein.
00:10:03: Ich weiß nicht mehr genau, wie ich den Satz angefangen habe, aber wir konnten das drehen.
00:10:06: Wir konnten Wärme entwickeln.
00:10:08: Ich konnte sehen, welchen Weg eigentlich meinen Vater selbst gegangen war, aufgewachsen auf einem Bauernhof, in Kriegszeiten.
00:10:16: Er hatte eine sehr, sehr weithammerharte Kindheit, nur Jahrgang thirty-four auf einem westfälischen Bauernhof.
00:10:22: Und meinen Vater zu respektieren für das, was er... getan hatte, musste ich erst lernen und ihnen zu lieben musste ich auch lernen.
00:10:35: Wir hatten aber die Zeit.
00:10:36: Ich kenne Menschen, die diese Zeit nicht hatten.
00:10:39: Freunde von mir hätten gerne diese Gespräche mit den Eltern geführt und konnten nicht mehr, weil die Eltern früher gestorben waren.
00:10:46: Wolfgang Gedecken, der... Ein Zitat für die Rückseite des Buches beigesteuerte.
00:10:51: Ich meine, den Sänger von BAP hat ja sein großes Lied verdammt lang her über das Verhältnis zu seinem Vater geschrieben, das sehr hart war, so ähnlich wie ich es gerade bei mir und meinem Vater beschrieben habe.
00:11:04: Der Vater Wolfgangsvater wollte, dass der Sohn eine bürgerliche Laufbahn einschlägt oder den Laden übernimmt, irgendwas Normales macht und der Sohn wollte studieren und eine Band gründen.
00:11:14: und Der Sohn sagt von sich, er sei arrogant gewesen und schroff und abweisend und still.
00:11:20: Keine Kommunikation, das ist auch ein Motiv, ne?
00:11:23: Dass sich wiederholt.
00:11:25: Und dann war der Vater tot.
00:11:26: Und kein Weg mehr zu einem Gespräch.
00:11:30: Ich bin so heilfroh, dass das bei uns anders war.
00:11:32: Und das stimmt einfach milde, ne?
00:11:35: Vielleicht kannst du mal davon erzählen, wie sich das bei euch angebahnt hat.
00:11:39: Weil also ich kenne das zum Beispiel aus meinem bekannten Kreis auch.
00:11:43: dass es eigentlich ganz viel Rede bedarf mit den Eltern geben würde.
00:11:46: Und diese Hürde ist für viele scheinbar nicht zu überwinden.
00:11:52: Wie hast du das denn gemacht?
00:11:54: Ich habe mir Zeit genommen, bin hingefahren oder bin mit meiner Mutter verreist, teilweise mit meiner Ehefrau und meinem Schwiegervater zusammen.
00:12:03: Wir waren dann zu viert unterwegs, teilweise mit meiner Schwester und meiner Mutter.
00:12:06: Dann waren wir drei unterwegs.
00:12:08: Und dann habe ich ... angefangen zu erzählen und zu fragen und nachzufragen.
00:12:16: Und bei meinem Vater, der nicht so gerne reiste, der nicht mehr aufbrechen wollte, war es so, dass wir uns in Münster ins Wohnzimmer gesetzt haben.
00:12:26: Und ich habe ihn gefragt.
00:12:29: Ich habe ihn nach seiner Kindheit gefragt.
00:12:31: Ich habe nach dem Bauernhof gefragt.
00:12:33: Ich habe ihn... Dann, als er wirklich weit in den Achtzigern war, zum ersten Mal gefragt, wie eigentlich das Verhältnis zu seinem Vater gewesen war oder zu seinem Großvater.
00:12:44: Diese Gespräche hatten wir früher nie geführt.
00:12:46: Und ich war überrascht davon, wie gerne er erzählte, weil ich ihn als gesträngen und ein bisschen wortkark mir vorgestellt hatte, aber er hat sich gefreut, dass ich ihn gefragt habe.
00:12:59: Und dann ging es los, dann haben wir geredet.
00:13:01: Und zwischendurch hab ich auch mal ein Diktiergerät oder ein iPhone-Was auf den Tisch gelegt und mitgeschnitten und richtige Interviews mit ihm geführt.
00:13:09: Er wusste, dass ich irgendwann auch über uns schreiben wollte.
00:13:15: Also das heißt, du bist neugierig über seine eigene Lebensgeschichte an eure Beziehung und euer Verhältnis gegangen.
00:13:24: Spät, aber ja.
00:13:25: Ja, weil ... Ganz viele, also ich bin jetzt Freundin im Ohr, die mich anrufen und sagen, ich kann schon wieder mit meiner Mutter telefonieren.
00:13:31: Das hat mich so getriggert immer als das gleich.
00:13:35: Und ganz viele denken ja, ich muss jetzt diese Themen, die in mir sind, endlich mal da platzieren, wo sie hingehören.
00:13:41: Und das ist, glaube ich, so eine krasse Hürde.
00:13:43: Und deine Idee oder deine Vorgehensweise ist ja eine viel friedvollere, die aber vielleicht am Ende ja zum gleichen Ergebnis führen kann, wenn man sein Gegenüber öffnet.
00:13:57: Und dadurch so ein Nährboden entsteht, sich selbst dann auch vielleicht öffnen kann, aber auf eine weniger radikale Art und Weise.
00:14:06: Ich glaube, dass das stimmt.
00:14:07: Und genauso wie du es beobachtest und analysierst, stimmt.
00:14:12: Mein Vater war dann ganz am Ende in seinem letzten Lebensjahr nicht mehr neugierig, aber da hat er nicht mehr gefragt.
00:14:20: Da wollte er nicht mehr.
00:14:22: Aber davor in den Jahren, von denen ich gerade erzählt habe, als wir diese langen Gespräche geführt haben, habe zuerst ich ihn befragt und dann hat er Gegenfragen gestellt.
00:14:33: Und dann wollte er wissen, Klaus, warum hast du eigentlich damals das gemacht?
00:14:37: Und dann haben wir über so Momente gesprochen, die für uns beide wichtig waren und die wir nie diskutiert hatten.
00:14:44: Es gab zum Beispiel einen Moment.
00:14:46: Mein Vater war nicht nur Latein Lehrer, sondern er war auch der Leiter der Schule, auf die ich gegangen bin.
00:14:51: Ein privatbischöfliches Gymnasium in Hiltrop bei Münster.
00:14:54: Ich kann den nach Vongalen Gymnasium.
00:14:56: Und ich habe nicht mehr das Abiturzeugnis von ihm in Empfang genommen, das er mir hätte verleihen müssen, weil ich halt Abi gemacht habe dort, sondern ich war schon weg, weil ich weg wollte aus diesem Hiltrop und aufgebrochen war und in irgendeinem Volleyball-Trainingslager war oder schon in München, wo ich nicht damals gezogen bin.
00:15:13: Das weiß ich nicht mehr genau.
00:15:15: Ich glaube, es war ein Trainingslager.
00:15:16: Und das hat ihn sehr verletzt.
00:15:19: Das haben wir aber nie ausdiskutiert.
00:15:21: Und ich fand das normal.
00:15:23: Meine Mutter hat mein Abi-Zeugnis in Empfang genommen, die hat mich vertreten.
00:15:26: Das geht ja nur um so ein Papier.
00:15:28: Und das hat er aber ganz anders empfunden und sehr nachvollziehbar.
00:15:32: Da mussten aber vierzig Jahre vergehen oder mehr.
00:15:35: Sechzig Jahre vergehen?
00:15:36: Wie viel?
00:15:37: Nee, Moment.
00:15:39: Da mussten ungefähr vierzig, dreißig Jahre oder so vergehen, bis wir darüber reden konnten.
00:15:46: Gibt es irgendwie eine Phase oder einen Moment, wo du für dich selber im Alter werden gespürt hast, dass jetzt deine zweite Lebensphase angebrochen ist?
00:15:55: Ja, ganz entscheidend mit dem Tod der Eltern.
00:15:58: Das ist ein so einschneidender Moment.
00:16:03: Das waren bei uns zwei Momente, weil einige Jahre dazwischen lagen.
00:16:07: Ist nicht sehr viel Zeit vergangen, mein Vater hat zwei Jahre länger gelebt als meine Mutter, aber plötzlich ist Sicherheit weg.
00:16:15: Bei uns ist es so, dass es meine Eltern auch noch im Haus meiner Kindheit gelebt haben bis zum Schluss.
00:16:20: Dieses Haus war das Zentrum unserer Familie, da habe ich mit meinen Kindern Ferien verbracht, meine Kinder waren liebend gern dort.
00:16:29: ganz nah bei diesem Haus ist ein Wald und dann haben wir in den Wäldern irgendwelche Hütten gebaut, so wie ich es in meiner Kindheit gemacht habe, habe ich es dann mit meinen Kindern gemacht.
00:16:36: und all das bricht plötzlich weg, weil das Elternhaus ohne Eltern kein Elternhaus mehr ist.
00:16:41: Wir werden da nicht mehr hinfahren.
00:16:44: und plötzlich bin ich, sind wir die alte Generation?
00:16:50: und das ist natürlich der Moment, wo du darüber nachdenkst, was verschiebt sich jetzt gerade alles und wie ... wie viel Zeit bleibt und was willst du mit der Zeit machen?
00:17:00: Und schön wär's, wenn damit die zweite Lebenshälfte anbreche, ne?
00:17:05: Und kannst du auch beschreiben, was das für ein Gefühl bei dir auslöst?
00:17:10: Ja, ich kann es jedenfalls versuchen.
00:17:13: Das fängt damit an mit dem, was ich vorhin schon mal, wo wir vor schon mal kurz waren, vorhin in diesem Gespräch, das zu machen, was wirklich wichtig ist, ist so ein Antrieb.
00:17:23: Nicht ... Zeit zu verdatteln in Nichtigkeiten oder auch nicht Zeit in vergifteten Umgebungen zu verbringen.
00:17:31: Auch nicht Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir nichts Gutes wollen oder die auch nicht wollen, dass etwas Gemeinsames gelingt.
00:17:38: Dann lieber zu gehen oder raus auszusteigen und zu sagen, nee, ich versuche was anderes, weil wir nicht endlos Zeit haben.
00:17:47: Ich habe vor... Einigen Jahren mit Samir haben meiner Ehefrau zusammen ein Buch über hundertjährige recherchiert und geschrieben.
00:17:55: Und dafür haben wir insgesamt achtzig hundertjährige Menschen auf der ganzen Welt interviewt und immer wieder gehört, immer wieder, permanente Botschaft.
00:18:06: Ihr wisst gar nicht, wie kurz die Zeit ist.
00:18:09: Und das sagten hundertjährige, die viel Zeit gehabt hatten.
00:18:12: Ihr wisst gar nicht, wie wenig Zeit ihr habt.
00:18:15: nutzt sie und nutzt sie an jedem Tag.
00:18:17: Dieses japanische Wort ikigai ist ja inzwischen längst ein deutsches Wort geworden, bedeutet macht das, was du wirklich tun willst.
00:18:25: Nutzt die Zeit für das, was dir wirklich wichtig ist.
00:18:28: What's your reason to live?
00:18:29: Würden die Amerikaner sagen, warum stehst du morgens auf?
00:18:33: Das verlangt mehr... Entschlossenheit, mehr Radikalität, mehr Freiheitssinn.
00:18:40: Und natürlich, das weiß ich sehr genau, hat das auch mit materiellen Sicherheiten zu tun, kann man sich das überhaupt leisten.
00:18:46: Ich weiß, dass das auch eine privilegierte Situation ist, wenn man dann sagen kann, ich möchte jetzt ganz anders leben.
00:18:52: Das ist mir klar.
00:18:54: Aber wir alle haben, glaube ich, die Chancefreiheiten.
00:18:59: uns zu erschließen, selbstbestimmter zu leben.
00:19:02: Wie hieß der Mensch, den du in deinem Podcast zum Thema Stress hattest?
00:19:06: René Träder.
00:19:07: René
00:19:07: Träder, der toll war.
00:19:09: Der ja auch immer wieder auf das Thema kam.
00:19:12: Wir können die Dinge zumindest punktuell hier oder dort da steuern.
00:19:17: Und das ist auch das, was ich für mich zu lernen versuche.
00:19:21: Und das geht, das geht erstaunlich gut.
00:19:24: Werbung.
00:19:26: Hände ihr dieses Gefühl, wenn der Dezember plötzlich anders riecht?
00:19:29: Ein bisschen nach Zimt, ein bisschen nach Kindheit, ein bisschen nach, ach, ich gönne mir jetzt mal was.
00:19:35: Ich sitze gerne mit einer warmen Tasse Tee am Fenster, draußen leuchten die ersten Lichterketten und drinnen steht vor mir eine Schale.
00:19:42: Na klar, Weihnachts Müsli.
00:19:45: Und da sind wir schon bei unserem heutigen Partner, My Müsli.
00:19:48: Die Marke, wenn es um hochwertiges Biomüsli geht, Genussqualität, Individualität, alles drin im wahrsten Sinne des Wortes.
00:19:57: Und jedes Jahr freue ich mich besonders auf das weihnachtliche Biomüsli Sortiment.
00:20:02: Zimt Apfel, Mandeln, diese kleinen perfekten Adventsmomente zum Löffeln.
00:20:06: Ideal, um morgens genussvoll in den Tag zu starten oder nachmittags die Weihnachtsplaylist anzumachen und es einfach gemütlich zu haben.
00:20:14: Wenn ihr noch auf der Suche nach Geschenkideen seid, vielleicht für Nikolaos den Stiefel, den Adventsbrunch oder einfach für jemanden, der euch wichtig ist, dann schaut unbedingt auf die Geschenksets.
00:20:25: Die sind liebevoll zusammengestellt und funktionieren einfach immer.
00:20:29: Und dann gibt's mein persönliches Highlight, die Fotodose.
00:20:32: Ihr könnt eure eigene Müslimischung kreieren und die Dose mit eurem eigenen Foto gestalten.
00:20:37: Kind und peinliches Partybild, euer Lieblingsmensch, völlig egal.
00:20:41: Es wird auf jeden Fall persönlich, emotional und so individuell, dass man fast vergisst, dass man etwas Essbares verschenkt.
00:20:48: Perfekt für die Adventszeit, kleine Aufmerksamkeiten oder diese, ich hab dir was mitgebracht, Momente bei Freunden und Familie.
00:20:55: Das Beste, ihr könnt's euch ganz ohne Adventsstress nach Hause liefern lassen.
00:21:00: Einfach online stöbern, aussuchen, bestellen auf mymueslieb.com.
00:21:05: Und für euch haben wir natürlich noch was.
00:21:07: Mit dem Kot «Fünfzig-Fünfzig» bekommt ihr zwanzig Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment.
00:21:12: Ausgenommen Gutscheine.
00:21:14: Also jetzt entdecken auf MyMySlee.com und euch selbst und den Menschen um euch herum eine richtig leckere, gemütliche Weihnachtszeit machen.
00:21:22: Danke an meinen Werbepartner MyMySlee für die Unterstützung dieses Podcasts.
00:21:28: In dieser Folge habe ich auch noch einen zweiten Werbepartner.
00:21:31: Bevor wir weitermachen, möchte ich euch kurz auf etwas aufmerksam machen, das mich wirklich tief berührt hat.
00:21:37: Es geht um ein neues Buch, das all jenen Kraftschank, die eine Demenzerkrankung Angehöriger begleiten.
00:21:43: Eine ganz besondere Reise von Emma Hemming Willis.
00:21:47: Als bei ihrem Mann Bruce Willis die Diagnose Demenz kam, stand Emma vor einem Abgrund, ohne Orientierung, ohne
00:21:54: Halt.
00:21:55: Genau aus dieser Erfahrung heraus hat sie das Buch geschrieben, dass sie damals selbst gebraucht hätte.
00:22:00: einen einfühlsamen, kompetenten Wegbegleiter durch die vielen Herausforderungen, die diese Krankheit mit sich bringt.
00:22:07: Emma teilt darin nicht nur ihren ganz persönlichen Weg, sondern holt sich auch Rat von führenden Expertinnen und Experten.
00:22:15: Es geht um den Umgang mit der Diagnose, um die überwältigenden Gefühle, die damit einhergehen und um etwas, das wir in solchen Zeiten oft vergessen – selbst für Sorge.
00:22:26: Eine ganz besondere Reise ist wie ein Begleiter, der sagt, ich weiß, wie dunkel es sich anfühlen kann, aber du musst da nicht alleine durch.
00:22:33: Dieses Buch schenkt Mut, Hoffnung und das Gefühl, getragen zu werden.
00:22:38: Wenn ihr jemanden kennt, den das Thema betrifft oder ihr selbst auf dieser Reise seid, dann schaut unbedingt mal rein.
00:22:44: Danke an meinen Werbepartner Penguin Random House Verlagsgruppe mit dem Kailasch Verlag für die Unterstützung dieses Podcasts.
00:22:54: Werbung Ende.
00:22:56: Ich glaube, ganz viele Menschen sind aber so in ihrem Tritt, dass sie vielleicht gar nicht wissen, was ihr Iki-Geil ist.
00:23:07: Hast du vielleicht selbst oder in deinem Umfeld mal Erfahrungen gemacht mit solchen Blockaden und hast irgendwie Tipps, wie man die lösen kann und sich selber so ein bisschen auf die Spur kommen kann, was tatsächlich wichtig ist für einen?
00:23:20: Na, ich möchte, das wäre, glaube ich, ein Fehler, nicht herumlaufen und sagen, ich habe jetzt... So, Welterklärertipps.
00:23:29: Und so muss, so geht's.
00:23:30: So wird man glücklich.
00:23:33: Ich wollte kein Lehrbuch schreiben und will auch nicht so tun, als wüsst ich Weisheiten.
00:23:37: Ich kann aber weitergeben, was ich in Interviews erfahren habe oder was ich für mich selber zu machen versuche.
00:23:46: Das ist aber ein Unterschied.
00:23:48: Also ich möchte mir nicht anmaßen, Weisheiten durch diesen Podcast in die Welt zu werfen.
00:23:55: Die hundertjährigen, um damals anzufangen und um es aufzuteilen in Männer und Frauen, haben sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben, was bereust du eigentlich?
00:24:06: Was tut ihr leid?
00:24:07: Nach hundert Jahren Leben, was tut ihr leid?
00:24:09: Die Männer haben fast ausnahmslos wirklich gesagt.
00:24:13: Ich glaube nicht, dass es eine Ausnahme gab.
00:24:16: Ich hätte viel mehr Sorgfalt auf Beziehungen verwenden sollen, auf die Beziehungen, die wirklich wichtig sind.
00:24:23: Meine Ehefrau war einsam, das weiß ich jetzt.
00:24:25: Wo sind eigentlich meine Kinder?
00:24:27: Warum prüfen die da nie an?
00:24:28: Und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob mein bester Freund noch lebt.
00:24:31: Diese Antworten haben wir ganz oft bekommen von den Männern, die Frauen.
00:24:36: Und darin liegt eine Antwort, eine erste Antwort auf deine Frage.
00:24:39: Die Beziehungen, die wirklich wichtig sind zu... Nicht nur zu pflegen, pflegen ist ein falsches Wort, sondern wirklich energiereich zu halten, kreativ zu betrachten, lustvoll zu dehnen, auszudehnen, groß werden zu lassen.
00:24:56: Die Frauen haben ebenso ausnahmslos oder beinah ausnahmslos gesagt, ich hätte viel mehr Zeit verwenden sollen auf Ausbildung, auf meinen beruflichen Werdegang.
00:25:07: Klar, wir reden über die Generation, die in den letzten Jahren geboren war, weil wir dieses Buch gemacht haben.
00:25:16: Aber davon kann man viel noch in die Gegenwart übertragen, da auf sich aufzupassen und das zu machen, was wirklich wichtig ist.
00:25:27: Und da kann ich natürlich überhaupt nicht darauf antworten, Stephanie, was ist das für dich oder was ist das für Menschen, die uns jetzt hören?
00:25:33: Das muss dann wirklich jeder und jeder für sich selber ausloten.
00:25:39: Das können sinnliche Dinge sein, die mit Bewegung zu tun haben.
00:25:43: Das kann aber ganz gewiss in dem Feld spielen, was ich gerade genannt habe, Beziehung.
00:25:48: Es geht, glaube ich, immer wieder um Beziehung.
00:25:49: Wie viele Menschen sind einsam?
00:25:52: Du schreibst über die vielen Verluste des Autors, heißt der Roger Anjel.
00:25:57: Roger Angel, hm?
00:25:58: Roger Angel, ja guckt.
00:26:00: Das ist ungewöhnlich, weil er sich mit Doppel L schreibt, aber er spricht sich Angel, ja.
00:26:06: Und er sagt, man kann den Schmerz über Verluste, die eigentlich niemand aushalten könne, verwandeln in etwas Leuchten, das.
00:26:12: Was hat dir denn die Beschäftigung mit ihm darüber gelehrt, wie das geht?
00:26:18: Roger war ein... Ein Freund der ganz späten Jahre, seiner ganz späten Jahre, wir haben uns angefreundet, als er weiter in den neunzigern war und man passiert sowas.
00:26:29: Also, wann findet man einen Freund, der jedenseits der neunzig ist?
00:26:32: In New York haben wir uns angefreundet und er war ein faszinierender Mensch.
00:26:37: Er ist inzwischen leider gestorben, aber er war ein faszinierender Mensch, weil er eine enorme Neugierde und Kraft hatte und gelernt habe ich von ihm, dass es immer, wirklich immer geht, dass man neu anfangen kann.
00:26:50: Und bei ihm hieß das, er hat die Frau seines Lebens verloren, die nach vielen gemeinsamen Jahrzehnten an Krebs gestorben war, er hat zwei Kinder verloren, was natürlich trageschwen war.
00:27:02: Und Roger war selbstverständlich tief in Trauer versunken und auch Monate lang in Trauer versunken.
00:27:09: Aber dann kam er wieder zum Schreiben und dann ging er langsam wieder zu den New York Yankees, Baseball, die er liebte.
00:27:16: Als er dann nicht mehr gut gucken konnte, als er in der Augenschwächer waren, hörte er die Yankees nur noch im Radio.
00:27:22: Aber er war so gern dort.
00:27:24: Und er hat sich noch einmal neu verliebt.
00:27:26: Er sagte, das geht auch mit fünfundneunzig noch.
00:27:29: Dass du dich noch einmal, das war ein bisschen früher, aber du kannst auch mit fünfundneunzig noch lieben.
00:27:34: Und Berührungen sind so wichtig.
00:27:36: Diese Neugierde, diesen Drang, ich meine, er wollte mich kennenlernen.
00:27:42: Er ist ein Mann weit jenseits der Neunzig und war neugierig.
00:27:46: Das konnte ich lernen von ihm und das trägt ganz schön weit.
00:27:49: Wenn du das erfährst, das konnten viele hundertjährige.
00:27:53: Resilienz ist ein deutsches Modewort, aber diese Fähigkeit, Trauer auch erstens zuzulassen, wirklich zuzulassen, das hat Roger geschafft und sie dann aber irgendwann auch hinter dir zu lassen, ist lernbar.
00:28:09: Jedenfalls habe ich es bei einigen Menschen erlebt und ich hoffe, dass ich es auch schaffe.
00:28:14: Ich würde gerne noch mal auf die Trauer zurückkommen, weil du am Anfang auch davon sprachst, dass du getraut hast, wie du es gelernt hast und dass es aber so nicht funktioniert.
00:28:23: Vielleicht kannst du noch mal sagen, wie es funktioniert oder wie es für dich funktioniert.
00:28:28: Mit Zeit, mit der, ich glaube, angstfrei muss es dann sein, mit der angstfreien Offenheit, das ist jetzt okay.
00:28:36: Und ich muss nicht funktionieren und ich muss auch nicht in einer Konferenz oder Schalter der ARD.
00:28:43: was auch immer Programmdirektoren und Direktorinnen jetzt ganz stark und sicher und cool ganz viele Wortbeiträge haben, sondern nehmen wir jetzt gerade was anderes wichtig und es zuzulassen und dann auch wirklich zuzulassen.
00:28:56: Das ist ein wichtiger Punkt.
00:28:59: Ich musste wirklich lernen, mich mitzuteilen.
00:29:02: Ich bin journalistisch, hoffe, dass ich mit Worten und Sätzen umgehen kann, schreiben kann, mit Menschen reden kann.
00:29:09: Ich war nicht immer so wortkark, wie ich es früher mit meinen Eltern war, aber ich hab über die Trauer nicht gesprochen.
00:29:14: Ich hab nicht darüber gesprochen, dass das eigentlich mit mir gemacht hat.
00:29:17: Zu verstehen, dass Trauer in den vorhin schon mal beschriebenen Wellen kommt, also manchmal so, dass es dich wirklich davon trägt und auch tagelang ausnockt und manchmal auch tagelang gar nicht.
00:29:29: Und dass das nicht linear ist oder dass das auch nicht schwächer wird nach drei Wochen.
00:29:35: So, jetzt hab ich drei Trauerwochen und da muss aber wieder alles normal sein.
00:29:38: sondern dass es macht, was es will und auch wehtut und auch wehtun darf.
00:29:44: Das muss dich verstehen, aber wenn man es versteht, ist das auch tröstlich.
00:29:48: Ich habe zum Beispiel verstanden, das wusste ich vorher nicht.
00:29:53: Das Trauer auch bedeutet, deswegen habe ich das Buch so... auch zeitlich hin und her springend geschrieben, dass du wunderschöne Bilder wirklich ansatzlos neben ganz traurigen Bildern in deinem Kopf hast.
00:30:07: Und beides ist wahr.
00:30:09: Meine Mutter war eine strahlend neugierige junge Frau, abenteuerlustig, reisefroh, aufbrechend.
00:30:17: Und sie war eine demente Frau, die in ihrem Bett lag und nicht mehr den Blickkontakt halten sowieso nichts mehr sagen konnte.
00:30:25: ganz am Ende und beide Bilder habe ich im Kopf.
00:30:30: beide Bilder stehen nebeneinander und beide sind wahr.
00:30:33: das wirklich zuzulassen und und zu sagen das ist echt okay und das dann auch mit anderen zu teilen ist wichtig.
00:30:43: ich habe gesagt ich wollte keine Tipps geben.
00:30:45: ich spreche nur von mir.
00:30:47: das weil es in Wahrheit ein Tipp ist, aber es ist kein Tipp, sich mitzuteilen und darauf zu hoffen, dass andere es hören wollen, ist wichtig.
00:30:58: Und da kann ich aus meiner eigenen Erfahrung eine überraschende Mitteilung machen, andere Menschen wollen es haben und freuen sich, wenn man es ausspricht.
00:31:06: Und dann die nächste überraschende Erfahrung, für mich war es tatsächlich überraschend, andere Menschen machen ähnliche Erfahrungen und teilen sich dann auch mit.
00:31:15: Und dann ist man nicht mehr allein.
00:31:16: Dann ist
00:31:16: man nicht mehr allein, ja.
00:31:19: Du schreibst im Buch auch über andere Verluste und du hast dich beruflich mehrfach neu orientiert.
00:31:25: Und ich fand eine Stelle ganz interessant, weil du hattest auch sehr machtvolle Positionen inne oder hast sie teilweise auch noch inne.
00:31:33: Du warst noch Chefredakteur des Spiegels und du schreibst an einer Stelle darüber, dass Menschen auch trauern über den Verlust von Macht.
00:31:42: Wie war das bei dir?
00:31:44: Es war nicht so sehr der Verlust von Macht, es war der Verlust von Zugehörigkeit.
00:31:52: Das fand ich schlimmer, der Verlust von Identität und dem Team, dessen Teil ich war und auf das ich stolz war und bei dem ich auch sein wollte und wo ich mich so als Zugehörig betrachtet habe.
00:32:12: Ich nenn es lieber das Gestaltungsraum oder so kreative Rolle, die das bedeutete beim Spiegel.
00:32:19: Fand ich toll, fand ich aufregend, hatte ich aber nie wirklich angestrebt.
00:32:23: Klingt wahrscheinlich schrecklich kokett, aber ich wollte immer Reporter sein.
00:32:26: Ich wollte immer so aus Leidenschaftsjournalist im Sinne von Reporter und Korrespondent sein.
00:32:32: Und dann habe ich mich gefreut als Georg Maskelo und Matthias Müller vom Blumengrund, die damals Spiegelchefredakteure waren.
00:32:37: mich gefragt haben, ob ich ihr Stellvertreter werden wollte und hab das gerne angenommen, aber ich hatte es nicht drauf angelegt.
00:32:43: Und nicht so all meinen Streben darauf gelegt.
00:32:46: Und dann war ich es gern.
00:32:47: Und dann konnte ich diese Rolle wieder loslassen.
00:32:51: Darauf hatte ich mich sogar eingestellt, dass das oft Zeit ist.
00:32:54: Was ich nicht gut aushalten konnte, war, dass mir gesagt wurde, du gehörst nicht mehr dazu.
00:33:00: Weil das eine nicht ohne das andere ging.
00:33:01: Spiegelchefredakteure gehen dann, die bleiben nicht in irgendeiner Rolle.
00:33:05: Das ist so gelernt, das war immer so.
00:33:07: Das war schon zu Rudolf Augsteins Zeiten so.
00:33:09: Und das hat sich nicht geändert.
00:33:11: Und plötzlich, das ist eine Szene, die ich in dem Text auch beschreibe, war ich so ein Tagesordnungspunkt in meiner letzten Konferenz.
00:33:19: Ja, ich hab diese Konferenz mal geleitet.
00:33:22: Nicht immer, aber als Chefinaktör natürlich geleitet.
00:33:24: Und kannte die so.
00:33:25: Und es war so ein Ritual.
00:33:26: Ich war da vor dem zwanzig Jahre lang ein Teil davon.
00:33:29: Und plötzlich durfte ich aber nicht mehr dabei sein, saß in meinem Büro und wurde dann per Telefon dazu geholt.
00:33:34: So jetzt kommt Tagesordnungspunkt Klaus.
00:33:36: Und dann habe ich mich verabschiedet, habe meine letzte Rede gehalten an diese Redaktion.
00:33:41: Dann gab es einen sehr warmen Schluss-Applaus.
00:33:45: So hat es sich für mich angefühlt.
00:33:47: All die Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter von twenty-fünf Jahren.
00:33:50: Einige natürlich auch Jünger, aber viele Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter all dieser Jahre.
00:33:55: Und dann musste ich aufstehen, weil dann der nächste Tagesordnungspunkt kam.
00:33:58: Dann war ich der Einzige, der rausging.
00:34:00: Alle anderen blieben im Raum.
00:34:01: Und dann bin ich in die Tiefkarage und weg und war nie wieder in diesem Spiegelhochhaus.
00:34:05: Ich schreib das deshalb und auch da weiß ich, dass das privilegiert ist.
00:34:09: Es ist privilegiert, weil dann Anwälte kommen und Verhandlungen führen und wir sind dann nach New York gegangen.
00:34:14: Das ist ein Geschenk, dass wir das tun konnten.
00:34:17: Was ich aber meine und was wichtig ist.
00:34:19: Das ist der Verlust von Zugehörigkeit.
00:34:21: Und das geht vielen Menschen so, wenn es nur ein Ruhestand ist, die in eine Rente gehen, die heute nicht mehr das haben, was sie gestern hatten, die Vertrautenkreise verlieren, die plötzlich nicht mehr dazugehören.
00:34:36: Und das wollte ich ergründen.
00:34:38: Mir tat's irrsinnig weh.
00:34:41: Und es war kränkend, es war ausschließend ausgeschlossen zu werden, nicht dazuzugehören, finde ich hammerhard.
00:34:49: Und ich wollte immer Teil von einer Mannschaft sein.
00:34:53: Ich bin so als Volleyballspieler groß geworden in meiner Jugend und wollte immer Teil dieser sechs sein, die da auf dem Feld sind.
00:34:59: Wenn dir plötzlich gesagt wird, nee, bist du aber nicht.
00:35:02: Das musst du erstmal aushalten.
00:35:04: Und ich glaube, dass so eine Erfahrung viele Menschen nachfühlen können.
00:35:09: Und wir müssen aber lernen, darüber zu reden, dass auch auszuhalten, im Sinne von weitermachen, weiterzumachen, weiterzugehen, sich neuen Dinge zu stellen, neue Dinge zu erschließen, wie ich das vorhin an Beispiele Rodgers geschrieben habe, weil das Leben so ist.
00:35:27: Also, es gibt nichts, was nicht endet, alles endet.
00:35:30: Und wenn es nach fünfzig Jahren mit Menschen sehr viel Glück haben, ja, der Ruhestand ist, aber irgendwann geht eine Zugehörigkeit zu Ende und darauf sollten wir uns einstellen.
00:35:40: Wie hast du für dich diesen Übergang gestaltet?
00:35:44: Und das war Samia's Weisheit wirklich.
00:35:46: Samia, meine Ehefrau, ich habe es sich vorhin schon erwähnt, war die Heldin in dieser Geschichte, weil sie, obwohl sie schwanger war, hochschwanger war, gesagt hat, lass uns sofort gehen.
00:35:58: Sofort hieß, sie musste auch sofort gehen, weil wir sonst nicht mehr hätten ausreisen bzw.
00:36:02: einreisen dürfen, dann hätte sie nicht mehr in die USA einreisen dürfen, wenn sie enttarnt worden wäre.
00:36:08: Lass uns nach Amerika gehen, hier in Hamburg wirst du irre.
00:36:11: weil jeder Weg irgendwie mit dem Spiegel verbunden war.
00:36:13: und lass uns aufbrechen.
00:36:14: Wir waren immer gerne in New York oder überhaupt in Amerika, lieben das beide dort und dann sind wir geflogen und waren sofort in einer anderen Welt.
00:36:25: Es war sofort heilsam und damit meine ich wirklich vom ersten Tag an.
00:36:30: Das hatte ich überhaupt nicht erwartet, weil ein ganz anderes Umfeld sofort ganz andere Dinge mit dir macht.
00:36:37: inklusive Nebeneffekt eines anderen Medienkonsum.
00:36:41: Ich habe da den Spiegel nicht mehr gelesen, den ich aber für zwanzig Jahre lang gelesen hatte und Spiegel online natürlich im fünf Minuten-Takt, die plötzlich aber nicht mehr.
00:36:51: Plötzlich gab es amerikanische Medien und eine andere Sprache, andere Texte, ein ganz anderes Medienumfeld.
00:36:57: Ich habe angefangen, für die Zeit zu schreiben, ein Podcast zu entwickeln.
00:37:01: Okay, America, für die Zeit.
00:37:03: Ein Film gemacht mit Stefan Lambi für die ARD über Trump und die Medien.
00:37:08: Und sofort, nicht sofort, aber so mit der Zeit andere Themen gefunden.
00:37:13: Mein Sohn wurde in New York geboren und wir hatten das ganz wesentlich, das sollte auf keinen Fall am Schluss erzählt werden, so als steigende Poernte.
00:37:22: Alexi hat unser Leben sofort ... geprägt und anders gelenkt und dann war es tatsächlich vorbei, auch schnell vorbei.
00:37:32: Hätte ich nie gedacht, das hatte einen traurigen Nebeneffekt, den ich bei all den Gedanken, die wir uns gemacht hatten, nicht bedacht habe.
00:37:40: Das war, dass ich sehr viele Kontakte, die mir wichtig waren, verloren habe.
00:37:46: Die habe ich selber aufgegeben, weil die Entscheidung dann zu gehen.
00:37:51: auch bedeutet, da musst du aber auch loslassen.
00:37:53: Das hilft ja nichts, ne?
00:37:54: Wenn du dann jeden Tag Mails schreibst und Anrufst oder Anrufe annimmst und SMS beantwortest und in irgendwelchen WhatsApp-Gruppen bist, dann ist es völlig egal, wo du bist, dann bist du nicht frei davon.
00:38:06: Und das waren aber teilweise auch Bindungen, die mir was bedeutet hatten.
00:38:09: Nicht so wenige.
00:38:10: Ich hatte das Gefühl, ich muss loslassen und loslassen heißt wirklich loslassen.
00:38:16: Und dadurch... so irgendwie Neutritt fassen, das hat wirklich funktioniert, aber es sind auch eine Gebindung, wo ich im Nachhinein sage, vielleicht hättest du doch ein bisschen eine Zwischenlösung gegeben.
00:38:31: Was sind so die nächsten Umbruchphasen, die du auf dich zukommen siehst?
00:38:34: und hast du schon einen Plan, wie du siehst, mal Händelst?
00:38:38: Ich ahne jedenfalls, dass das Umbruchsphasen und Abschiede nicht enden werden.
00:38:44: Ich schreibe von sieben Jahren das Loslastens und Wiederfindens, weil es zwischen dem Abschied vom Spiegel und dem Tod meines Vaters sieben Jahre waren.
00:38:54: Das war der Zeitraum.
00:38:56: Es hört nicht auf.
00:38:57: Ich möchte mir jetzt aber nicht vorstellen, was kommt als nächstes.
00:39:01: Wann höre ich auf zu arbeiten?
00:39:03: Nee, nee, nee, das ist viel zu früh.
00:39:05: Weil ich höre auf zu segeln?
00:39:07: Nein, nein.
00:39:09: Bücher zu schreiben?
00:39:09: Nee, auch nicht.
00:39:10: Nee, nein.
00:39:11: Das Leben ist endlich und ich kann rechnen.
00:39:15: Und ich weiß, dass wir nicht wirklich über die Mitte des Lebens reden, wenn wir über mich reden.
00:39:20: Aber da mag ich jetzt nicht spekulieren.
00:39:23: Das verstehe ich gut.
00:39:25: Zum Abschluss, was würdest du sagen, es ist total schwer, aber gibt es für dich so einen Gedanken, den du im Buch festgehalten hast, der für dich am allerwichtigsten geworden ist und den du vielleicht gerne mitgeben möchtest, den Hörern und den Hörern?
00:39:38: Ist total schwer.
00:39:40: Die spontane Antwort ist, dass was mir jetzt als erstes einfällt und vielleicht ist es dann ja auch einfach die richtige, dass wir mitunter... Zeit brauchen, unseren Eltern zu verzeihen, unsere Eltern zu verstehen, unsere Eltern zu akzeptieren, als diejenigen, die sie waren und wirkliche Liebe zuzulassen.
00:40:05: Das dauert und darf auch dauern.
00:40:09: Vielen Dank für deinem Such und für das wunderbare Buch Zeit der Abschieder.
00:40:13: Erschien bei C.H.
00:40:15: Beck.
00:40:16: Und ich empfehle es jedem zu lesen.
00:40:18: Es kann ein ganz großes Vergnügen.
00:40:21: Vielen Dank dafür.
00:40:22: Danke dir, Stefanie.